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Stimmt´s oder hab ich recht?

Eine Geschichte von Sabrina Thronberens und mit den Illustrationen von Christoph Ickerodt.

Endlich ist es Samstag.

Mia freut sich, heute mal mehr Zeit mit Mama und Papa zu verbringen. Gut gelaunt sucht sie sich ihre Lieblingssachen aus der Kommode zusammen.

Die grünen Socken mit lila Katzen, die rote, gemütliche Leggins und das blaue Pullover-Kleid mit den pinken Streifen. Sie hatte sich die Anziehsachen extra für heute zurückgelegt. Nun fehlt nur noch ihr Haarreifen mit der großen Blume dran. Perfekt!

Mia ist zufrieden als sie sich so im Spiegel ansieht und bequem ist es auch noch.

Gutgelaunt geht sie zu Mama und Papa.

„Guten Morgen Mia“ wird sie von ihrem Papa in der Küche begrüßt. Mia setzt sich an den Tisch: „Morgen“ grüßt sie zurück und Mama erwidert den Gruß verdeckt von ihrer Zeitung.

„Was machen wir heute? Können wir in den Park? Oder Fahrrad fahren?“

„Heute geht es nicht mein Schatz! Mama und ich haben einiges zu erledigen. Du gehst heute zu Oma und Opa!“ sagte Papa

„Aber vorher ziehst du etwas anderes an! Da bekommt man ja Kopfschmerzen, wenn man Dich so ansieht!“ meint Mama und schaut von ihrer Zeitung belustigt auf.

„Und ich mach Dir gleich einen Zopf! Deine Haare geraten sonst wieder so schnell durcheinander.“ murmelt Papa, während er ihr ein Brötchen aufschneidet.

 Mias gute Laune ist verschwunden. Sie hat schon gar keinen richtigen Hunger mehr. Wenigsten hat sie dann Tapsi, Omas und Opas Dackel, mit dem sie spielen kann.

 Nach dem Frühstück macht Papa ihr einen Zopf und Mama sucht ihr den Pullover raus, den Oma für Mia gestrickt hat und eine Jeanshose.

„Kann ich noch ein bisschen nach draußen?“ fragt sie.

„In Ordnung.“ sagt Papa „Aber mach dich nicht schmutzig!“

 Mia wohnt in einem Haus mit vielen Wohnungen. Unten vor dem Haus ist ein kleiner Spielplatz. Dort ist Mia gerne. Am liebsten sitzt sie in dem kleinen Häuschen und spielt Hexenküche. Heute sitzt sie nur auf einer Bank vor dem Sandkasten.

Da hat sie sich so gefreut auf heute. Jetzt hat sie einen festen Zopf, der ihr schon bald am Kopf weh tun wird, einen Pullover an, den sie hasst, weil der so kratzig ist und juckt, sie weiß schon genau, das Oma wieder etwas kocht, was sie nicht mag und dass sie aufessen muss und Opa… – ihr Opa, den sie eigentlich gerne hat. Aber Opa will immer einen Kuss. Und das mag Mia überhaupt nicht! Sie findet das ekelig! Mia findet alle Küsse ekelig, aber am schlimmsten findet sie Opa küssen!

Nun freut sich Mia gar nicht mehr auf den Tag! Mia ist traurig, traurig und sauer, und am liebsten möchte sie laut schimpfen!

Plötzlich kommt ein Junge auf den Spielplatz. Er ist etwas größer als Mia. Er klettert das Klettergerüst hoch, bis ganz nach oben und bleibt dort lässig sitzen. Mia erkennt ihn. Es ist Emre. Er geht schon in die Schule.

Mia schaut wieder zu Boden. Es ist ihr egal, dass Emre da oben sitzt.

Emre jedoch schaut Mia an.

„Hey, geht’s Dir gut? Du siehst aus wie ein Häufchen Elend!“ sagt Emre.

„NEIN, mir geht’s nicht gut!“ platzt es aus Mia heraus. „Immer muss ich alles machen wie Mama und Papa es wollen, obwohl es kratzt und ekelig ist und der Kopf weh tut und mir schlecht wird, wenn ich so viel essen muss!!!“

„Okay…, ich weiß zwar nicht genau, was Du meinst, aber eines weiß ich: Die Erwachsenen dürfen nichts machen, was Dir schadet!“

Mia schaut nun doch zu Emre auf. „Wie meinst Du das?“ fragt sie.

„Naja, Du sagtest, Du musst etwas tun, was Dir Kopfschmerzen macht, was Du ekelig findest und wodurch Dir schlecht wird. Eigentlich müssen die Erwachsenen Dich davor schützen. Und wenn sie das nicht machen, kannst Du sagen, dass Du ein Recht hast! Kinder haben nämlich auch Rechte! „Stimmt´s oder hab ich Recht?“ fragt Emre und schaut sie lächelnd an.

Mia überlegt…“Also, wenn ich etwas nicht essen möchte, weil mir davon schlecht wird, hab ich das Recht zu sagen, dass ich das nicht muss? Aber werden die Erwachsenen dann nicht sauer?“

Emre hat gut reden, denkt Mia. Ob ich mich so etwas traue…

„Auch wenn es die Erwachsenen ärgert, Du hast ein Recht darauf, dass es Dir gut geht! Du bist doch genau so ein Mensch wie die Erwachsenen. Versuch es doch mal, Du wirst schon sehen, wenn Du Dich einmal getraut hast, ist es viel leichter und es wird besser!“ versichert ihr Emre.

Mia ist aufgeregt… Sollte sie es wirklich versuchen?

„Also, ich muss dann wieder los!“ Du schaffst das schon! „Stimmt´s oder hab ich Recht?“ fragte Emre erneut, sprang vom Gerüst runter und machte sich davon.

Mia, fühlte sich komisch, irgendwie hatte sie Angst, aber vielleicht muss sie nie wieder diesen fiesen Zopf tragen oder konnte sie sogar Opas das Küssen verbieten? Das wäre toll, dachte sie.

Sie sprang von der Bank und lief zu ihrem Papa.

 Papa war gerade im Bad und kämmte sich die Haare.

„Papa“, sagte Mia.

„Ja Schatz?“ Papa sah weiter in den Spiegel.

Mia atmete tief ein, nahm ihren ganzen Mut zusammen und sagte laut: „Ich möchte keinen Zopf! Es tut mir weh! Und ich hab ein Recht darauf, das mir nichts weh tut!“

Papa sah sie überrascht an. Mit geöffnetem Mund und Kamm in der Hand hielt er inne.

 „Stimmt´s oder hab ich Recht?“ fügte sie unsicher hinzu.

„Mia, ich wusste nicht dass Dir der Zopf weh tut!“ sagte Papa entschuldigend. „Du kannst den Zopf natürlich raus machen!“

Mia konnte ihr Glück kaum fassen. Ihr Herz klopfte ganz schnell. Sie zog am Haargummi und Ihre Haare waren frei. Das fühlte sich gut an!

„Danke!“ Sagte sie froh und ging weiter zu Mama.

Die, saß gerade in der Küche und las einen Brief. Mia atmete nochmal tief ein und stapfte auf Mama zu.

„Ich möchte diesen Pullover nicht anziehen! Er kratzt und juckt ganz fürchterlich! Und das ist den ganzen Tag so! Ich hab ein Recht darauf, dass es mir gut geht!“ sagt Mia und schaut ihre Mutter mit verschränkt Armen an.

„Stimmt´s oder hab ich Recht?“

Mama, lässt langsam den Brief sinken, Sie scheint nachzudenken. „Aber der Pullover ist doch so schön!“ sagt Mama.

„Für mich ist er es nicht! Ich finde etwas anderes schön!“ sagte Mia „Und es geht mir besser!“

Mama schaut Mia an. “Gut, Du kannst den Pullover ausziehen und Dir einen anderen aussuchen. Aber für Leggins ist es zu kalt! Einverstanden?“

Mia ist sehr zufrieden mit sich. “Einverstanden!“ antwortet sie glücklich. Solange sie diesen schrecklichen Pullover ausziehen kann. 

Auf dem Weg zu Oma und Opas geht es Mia schon viel besser. Sie hätte es sich nie zu träumen gewagt, dass sie den festen Zopf und Omas Pulli je loswerden würde.

Außerdem hatte sie noch eine Idee…

Bei Oma und Opa angekommen klingelte Papa an. Sofort hörte Mia Tapsi bellen und vor der Tür herumlaufen. Als die Tür aufging wurde sie sogleich stürmisch begrüßt. Auch Oma kam heraus und grüßte alle. „Ihr kommt gerade richtig. Mia, ich hab das Essen schon fertig. Ich mach Dir gleich eine große Portion auf den Teller!“ sagte Oma fröhlich.

„NEIN!“ überkam es Mia.

Oma, Mama und Papa, starrten Mia an.

Mia zitterte, aber sie holte rief Luft uns sagte ruhig: „Oma; Du machst immer ganz viel Essen auf meinen Teller. Und ich muss das dann aufessen. Aber das kann ich nicht. Mir wird immer schlecht!“

Oma sah erschrocken aus. Mama und Papa schauten sich an.

„Kann ich mir bitte selber essen nehmen? Im Kindergarten mache ich das doch auch! Ich hab ein Recht darauf, dass es mir nicht schlecht geht! Stimmt´s oder hab ich Recht?“ fuhr Mia fort.

Oma hat es die Sprache verschlagen. „Das stimmt Mia. Tut mir leid! Du kannst Dir gleich selber Essen auf den Teller nehmen. Es soll Dir doch nicht schlecht gehen bei uns!“ sagte Oma leise.

 Mia strahlte. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Dass das alles so gut klappt, hätte sie nie gedacht.

Fehlt nur noch Opa.

„Wo ist denn Opa?“ fragte Mia.

„Der schläft auf dem Sofa. Du kannst ihn mal zum Essen wecken.“ sagte Oma.

Mia verabschiedete sich von ihren verdutzten Eltern und lief mit Tapsi im Schlepptau zu Opa ins Wohnzimmer.

 „Opa, aufwachen!“ rief sie.

Opa rieb sich die Augen und rief vergnügt;“ Mia, mein Schatz! Gib Opa einen Kuss!“

Doch Mia dachte gar nicht daran. Sie schnappte sich Tapsi und hielt ihn Opa vor das Gesicht.

Tapsi schlabberte Opa, schwanzwedelnd das Gesicht ab. Doch Opa drehte sich weg „Pfui, Tapsi, hör auf, das ist ja ekelig! Mia, was sollte das denn?“ fragte er empört.

Mia nahm noch einmal ihren Mut zusammen und sagte;

“Opa, ich möchte Dich nicht Küssen! Ich finde das ekelig! So, wie Du die Küsse von Tapsi ekelig findest. Ich hab Dich gerne aber ich mag das nicht! Ich hab doch ein Recht darauf, nicht geküsst zu werden! „Stimmt´s oder hab ich Recht?!“

Opa sah sie an. Dann fing er laut an zu lachen. Mia konnte nicht anders, sie lachte mit.

„Meine kleine Mia, ja, da hast Du Recht! Keiner darf Dich küssen wenn Du das nicht möchtest! Es tut mir leid! Wenn ich mal wieder einen Kuss möchte, frag ich einfach unseren Tapsi, der scheint ganz wild zu sein aufs Küssen.“ sagte Opa und musste wieder lachen.

Mia nahm ihren Opa in den Arm. Sie war so froh, was sie heute alles geschafft hat. Und auf einmal war der Tag doch gar nicht mehr so schlimm wie sie gedacht hat.