Die Geschichte der AWO ist auch eine Geschichte des Kampfes für die Verwirklichung von Kinderrechten. Denn gerade die nicht mehr hinnehmbare Not der Kinder und das Elend, in dem sie vor mehr als 100 Jahren aufwuchsen, erforderten eine Initiative, die ihre Interesse vertrat, sie schützte und sie als Individuen stärkte. Die Keimzelle dieser Initiative, die am 13. Dezember 1919 als Arbeiterwohlfahrt von Marie Juchacz gegründet wurde, waren die sozialistischen Kinderschutzkommissionen der Sozialdemokratie im Kaiserreich.
Parallel zu dieser Entwicklung in Deutschland wurde auch in anderen Ländern die Notwendigkeit erkannt, die Not der Kinder zu lindern und ihnen eine Kindheit fernab von Elend zu ermöglichen. In England wurde zum Beispiel ebenfalls im Jahr 1919 von der Lehrerin und Sozialreformerin Eglantyne Jebb „Save the Children“ als internationale Nichtregierungsorganisation gegründet, die sich seitdem weltweit für die Rechte und den Schutz von Kindern einsetzt. Das von Jebb verfasste “Fünf-Punkte-Programm” (Children’s Charter) gab auch den Anstoß dazu, dass am 24. September 1924 in der Generalversammlung des Völkerbundes in Genf die Genfer Erklärung verabschiedet wurde. Durch sie sollte die Versorgung und der Schutz von Kindern gewährleisten werden. Allerdings waren auch grundlegende Rechte der Kinder in Bezug auf ihr Wohlergehen festgehalten.
In Deutschland nahm die Erfolgsgeschichte der AWO ihren Lauf. 1931 waren 135.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer der AWO in der Kindererholung und im Kinderschutz, in der Altenbetreuung und Jugendhilfe, in Notstandsküchen und Werkstätten für Behinderte und Erwerbslose sowie in Selbsthilfenähstuben tätig. Während des Nationalsozialistischen Regimes war die AWO verboten, ihre Mitglieder wurden von Nazis verfolgt und ermordet. Nach dem Krieg gründete sich der Wohlfahrtserband neu und war bereits 1946 wieder aktiv. Hauptsächlich kümmerte sich die AWO zunächst um Evakuierte und Flüchtlinge, Heimkehrer, Alte und Einsame, um junge Menschen, die Heimat und Eltern verloren hatten. Kinder- und Jugenderholungsmaßnahmen wurden wieder angeboten, nach alter Tradition wurden Nähstuben, aber auch Einrichtungen der Hauswirtschaft und Mütterbildung eröffnet. In diesen Jahren wurden auch Kindergärten und Horte als Kinderstuben der Demokratie neu eingerichtet, Volksküchen gaben Mahlzeiten an Kinder, Alte und Kranke aus, Kriegsgefangene und ihre Angehörigen wurden betreut und mit Lebensmitteln versorgt.
Die Verwirklichung von Kinderrechten und die Information der Kinder über ihre Rechte gehört heute gerade in den Kindertageseinrichtungen der AWO Niederrhein zum pädagogischen Alltag. In unseren Kitas gilt das Prinzip: Kinder wissen am besten Bescheid, wenn es um ihre Angelegenheiten geht. Darum sind Partizipation und Beschwerdeverfahren auch gelebte Praxis. Durch die Mitwirkung in unseren Kitas üben die Kinder den Umgang mit demokratischen Spielregeln – und kommen zu ihrem Recht auf Mitbestimmung.
Auf internationaler Ebene hatten die Vereinten Nationen als bereits 1948 in ihrer “Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte” den Schutz von Kindern mit aufgenommen. Bei der am 20. November 1959 verabschiedeten “Deklaration über die Rechte der Kinder” ist u.a. auch auf die Genfer Konvention zurückgegriffen worden. 20 Jahre später, im Jahr 1979 zum 20. Geburtstag der „Deklaration über die Rechte der Kinder“, machte die polnische Regierung den Vorschlag, diese „Deklaration über die Rechte der Kinder“ als völkerrechtlichen Vertrag umzuarbeiten. Da dies nicht so ohne Weiteres möglich war, wurden verschiedene Gremien gebildet, und nach weiteren 10 Jahren der Überarbeitung nahm die Generalversammlung den von der Arbeitsgruppe vorgelegten Übereinkommensentwurf am 20. November 1989 — dem 30. Jahrestag der Erklärung der Rechte des Kindes — ohne jede Änderung einstimmig an. Allerdings haben bis heute nur 58, der 196 UN-Mitgliedsstaaten die Kinderrechtskonvention unterzeichnet.
Doch nicht nur International haben Kinderrechte weltweit Gesetzeskraft und sind zu befolgen. Auch in Deutschland werden im Grundgesetz zwar Tiere und Umwelt, Menschen mit Behinderungen, Frauen und Mütter explizit geschützt, Kinder aber noch nicht. Darum kämpft die AWO dafür, dass Kinderrechte und der Schutz von Kindern im Grundgesetz in einer Form verankert werden, die über die Rechte der UN-Kinderrechtskonvention hinausgehen. Doch ebenso wichtig ist, Kinder auch im Alltag in ihren Rechten zu stärken, damit sie ihre Rechte auch einfordern können. Von den zahlreichen positiven Erfahrungen und erfolgreichen Praxisbeispiele aus unseren Kindertageseinrichtungen sollen zukünftig auch andere Träger und pädagogische Mitarbeiter*innen profitieren. Dafür entwickelt der AWO Bezirksverband Niederrhein in einem vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW geförderten Projekt einen digitalen interaktiven Werkzeug- und Methodenkoffer zu den Themen Demokratie und Mitbestimmung in Kindertageseinrichtungen. Dieser wird auf dieser Webseite vorgestellt und soll pädagogische Mitarbeiter*innen befähigen, schnellen Zugriff auf fachliche Impulse zu haben, um den Kindern die UN-Kinderrechtskonvention und ihre damit verbundenen Rechte bewusst zu machen.